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Damianut
Publizistik Gothic Series

Urdrak erwiderte nichts darauf. Er nickte stumm und wies die Orklinge an, dicht bei ihm zu bleiben. Währenddessen stieg Buldruk vom Hügelkamm herunter und schritt durch die Ebene. Mit einem Feuerball pflügte der Graupelz sich einen Weg durch die Schneemassen, bis er endlich an der Stelle kam, wo sich die Grotte des Boldyrs befinden musste. 

Mit geschlossenen Augen streckte Buldruk seinen Stab aus und murmelte eine Zauberformel in der Sprache seines Volkes. Da erschien ein großer Wolf, der sich vor Buldruk aufrichtete und ihn erwartungsvoll anschaute. „Such nach Überlebenden“, sagte Buldruk bestimmt. Sofort machte sich der Wolf auf die Suche und schnüffelte herum. Nach einer Weile begann er zu heulen. Hoffnungsvoll

Langsam und erschöpft öffnete er seine Augen. Mit noch leicht verschwommener Sicht sah er sich um. Er schien in einer Hütte zu sein. Ein kleines Feuer brannte in der Mitte der Hütte, über den ein rundes Loch klaffte. Leichter Schnee fiel auf das Feuer nieder. Rings um das Feuer standen krude, einfache Möbel aus Holz und Stein. Auf einem Tisch aus massiven Stein standen Mörtel, Stöpsel und weitere Utensilien der Alchemie herum. Von draußen hörte man Trommelschläge und lautes Grunzen erklingen.

Erschrocken erhob er sich von seiner Lagestätte und riss sich zu hastig die Felldecke von sich. Da bemerkte er, dass er bis auf seine Unterwäsche unbekleidet war. Auf seiner Brust sah er nun die langen, fahlen Narben, die ihn der Boldyr zugefügt hatte. 

Hrolf sah sich verängstigt um. Seine Sinne zwar klarer, doch wusste er nichts mehr was geschah. Außer wie der weiße Tod über ihn und Brynjarr herfiel. Da krallte sich die nackte Angst um sein Herz. Taumelnd stand Hrolf auf und suchte verzweifelt den Raum ab. Da sah er ihn. 

Auf einem flachen Stein lag Brynjarr. Kalt und blass, die Augen geschlossen. Seine zerstörte Rüstung hatte man ihm nicht abgenommen. Dafür hielt der junge Krieger seine Zweihandaxt mit beiden Händen, die auf seinem Körper lag.

Er wollte seinen Augen nicht trauen. Er wollte es nicht. Langsam und stolpernd ging Hrolf auf Brynjarr zu, bis er den Stein erreichte. Daraufhin stützte sich der Nordmarer an den Stein und schaute auf das leblose Gesicht seines kleinen Bruders. Er hatte schon viele tote Klanbrüder betrauern müssen. Doch dieser Verlust traf ihn auf entsetzliche Weise. Hrolf konnte kaum mit seinen Tränen ringen, so groß war sein Kummer. 

Plötzlich hörte er jemanden, der in die Hütte trat. Hrolf wandte sich hastig um, packte einen schweren Ast, der auf einem Stapel Feuerholz lag und schwang ihn zähneknirschend auf. Da sah er Buldruk am Eingang stehen. 

Der alte Graupelz sah Hrolf stumm und mitleidig an. Hrolf, gelähmt vor Trauer und Verwirrung, wusste nicht was er tun sollte. Dann warf er jedoch den Ast weg und sank bekümmert zu Boden. Daraufhin ging Buldruk zu seinem groben Alchemistisch, nahm eine fellige Lederflasche in die Pranke und ging dann zu Hrolf rüber. 

Mitfühlend bot Buldruk Hrolf die Flasche an. „Hier, Sohn des Nordens“, sagte der Graupelz. „Dieser Trank wird deinen Körper stärken.“ 

Zögernd nahm Hrolf die Flasche und öffnete sie. Er roch nicht an ihr, sondern trank mehrere große Züge davon. So als ob er hoffte, seinen jetzigen Schmerz betäuben zu können. Stattdessen glühte sein Körper regelrecht und ließ seine Kehle brennend. Hrolf musste unfreiwillig husten. Es dauerte jedoch nicht lange, da glaubte der Nordmarer, dass sein Körper sich um viele Jahre verjüngt hätte. 

„D-danke“, krächzte Hrolf. Er senkte dann, denn Kopf und schwieg eine Weile. Buldruk erwiderte nichts, sondern setzte sich auf einem breitem Baumstumpf und stützte sich auf seinem Stab. Sein Blick fiel dann auf Brynjarr. 

„Ich habe ihn nicht gekannt“, begann der Schamane, „Aber ich spürte sogleich, dass er ein guter Mensch war.“

„Er w… er war mehr als das“, sagte Hrolf mit zittriger Stimme. „Er war der beste Krieger unseres Klans. Niemand hat Ehre und Stärke so verinnerlicht wie er. Keine Schlacht war verloren, wenn er anwesend war. Unserer Krieger strotzen nur so vor Kampfeslust, wenn Bryn zu ihnen sprach. Er… Er war der beste Kandidat dafür, unser neue Häuptling zu sein.“

Bei den letzten Satz musste Hrolf einige Tränen vergießen. Augenblicklich begrub er sein Gesicht unter seiner Hand. 

„Ich hätte sterben sollen.“ Ich hätte das höchste Opfer bringen sollen. Nicht er.“

„Dein Verlust tut mir leid, Sohn des Nordens“, antwortete Buldruk mitfühlend. „Doch wisse: Du und dein Bruder habt eine große Heldentat vollbracht.“

Hrolf sah den Schamanen fragend an. Da erhob sich Buldruk und wies den Nordmarer an ihn zu folgen. Zuerst sträubte sich Hrolf, von seinem Bruder zu weichen. Doch langsam entfernte er sich vom Leichnam und verließ schließlich mit Buldruk dessen Hütte. 

Die Schamanenhütte befand sich inmitten des Dorfes, umkreist von den kruden Steinhütten der Jäger und Sammler. Vor der Hütte befand sich ein weiter Platz, auf dem ein großes Lagerfeuer brannte. Im feierlichen Rhythmus schlugen Orks auf ihre Trommeln, während viele andere beim Klang der Musik tanzten und dabei laut jauchzten und grunzten. 

Hrolf sah dem Treiben verwirrt zu. Dann fiel sein Blick auf einem großen Altar. Darauf lag der massige Leib des Boldyrs. Sein lebloses Auge war erloschen. Sein ungeschützter Bauch hatte man aufgeschlitzt, aus dem noch die Gedärme ausquollen. Derweil pflückten einige Orks die Stacheln aus der Mähne des Untieres und überlegten sich, ob sie aus denen Speere machen sollten. 

Hrolf trat ungläubig auf dem Leichnam zu. Da sah er, dass der Schädel des Untieres völlig malträtiert wurde. Es musste das Werk einer schweren Waffe gewesen sein. Ein kalter Hass packte Hrolf plötzlich und hätte am liebsten das Auge des Boldyrs entrissen, damit es ihn nicht anstarrte. Er wurde jedoch aus seinen dunklen Gedanken gerissen, als Buldruks Pranke sich sanft auf seine verheilte Schulter legte. 

„Dies ist euer Werk“, sagte der Schamane mit großer Erleichterung. „Ihr habt meinen Stamm und alle Orks des Schattenhorns erlöst. Dafür sind wir euch auf ewig dankbar.“