Brynjarr schaute nun die Orklinge genauer an. Der Rücken eines Orklings war elendig zerrissen worden. Ein schien keine Fleischwunden zu haben. Doch dessen schmächtiger Oberkörper wurde langsam und qualvoll zusammengedrückt worden. Eine finstere Wut wuchs im Herzens der Krieger heran. Er stellte sich vor, wie die Orklinge gelitten haben mussten, nur um den grausamen Spaß des Boldyrs zu befriedigen. Dann erinnerte sich Brynjarr an seinen Vater Björnrik. Seine Leiche war ebenso geschändet worden, wie die der Orklinge. Niemals würde der Krieger die erstarrte Fratze der Furcht vergessen, der das noble Gesicht Björnriks entstellt hatte.
„Ich werde ihn töten. Bei lebendigen Leibe werde ich ihn häuten!“, schwor sich Brynjarr.
„Das werden wir, kleiner Bruder“, erwiderte Hrolf finster. „Das werden wir.“
Die Brüder verbargen sich nahe des Eingangs, aus dem sie herauskamen und verbargen sich. Sie warteten. Und warteten. Für die Brüder schien eine Ewigkeit zu vergehen. Und doch erschien der Boldyr nicht. Derweil machte sich die Übelkeit mehr und mehr bemerkbar. Hrolf und Brynjarr begannen mehr und mehr zu würgen, während ihre Sinne drohten, ihnen zu entgleiten. Schließlich konnten sie es nicht länger aushalten. Langsam und angestrengt pirschten sie gemeinsam durch den Gang. Mit Mühe versuchten sie, bereit zu sein, sollte der Boldyr plötzlich auftauchen.
Als sie, denn Ausgang erreichten, stolperten sie nach draußen und schnappten nach Luft. Die Brüder sahen, wie langsam der Morgen dämmerte. Hrolf ging langsam zu Brynjarr, der elendig würgte. Der Krieger schien jeden Moment, sich übergeben zu müssen. Aufmuntern hob er seinen Bruder hoch, hielt jedoch weiterhin Ausschau nach dem Boldyr.
„Keuch! Verfluchte Scheiße!“, krächzte Brynjarr. „Wo steckt das Drecksvieh?“
„Bestimmt noch auf der Jagd“, erwiderte Hrolf ernst. „Lässt sich lange Z-AH!
Erschrocken wandte sich Brynjarr zu Hrolf. Da sah er die Spitze eines dolchartigen Stachels aus der Brust seines Bruders herausragen. Nur knapp verfehlte er Hrolfs Herz. Der Stachel schnellte nach hinten und Hrolf japste panisch nach Luft. Brynjarr verfolge den Stachel. Dann sah er eine monströse Gestalt, die über den Höhleneingang stand. Bereit, über die Brüder herzufallen. Gerade noch rechtzeitig sprang Brynjarr mit Hrolf zur Seite, bevor das Biest sie beide erwischen konnte.
Ein lautes Geräusch ertönte und das Biest wandte sich rasch den Brüder zu. Brynjarr war sofort aufgestanden und hielt seine Axt kampfbereit. Doch für einen Moment erstarrte der junge Krieger, als er den Boldyr zur Gänze sah.
Der hyänenhafte Leib, der so groß wie der eines Schattenläufers war, war übersäht mit dunklen, purpurnen Schuppen bedeckt. Ein dicker, peitschenartiger Schwanz zischte durch die Luft, an dessen Spitze der Stachel herausragte. Aus den massiven Tatzen ragten gewaltige Krallen heraus. Um den schrecklichen Kopf des Boldyrs ragte eine dichte Mähne aus langen Stacheln, wie man es bei den Südlichen Stachelratten nur kannte. Aus dem dämonischen Waranschädel brannten zwei, orkähnliche Augen. Dieselben Augen, die die Brüder sahen, kurz nach dem der Boldyr ihren Vater gerissen hatte.
Der Boldyr blieb an Ort und Stelle stehen. Morbide Neugierde ließen ihn Einhalt gebieten, als er die Brüder musterte. Als sein Blick auf den japsenden Hrolf richtete, weiteten sich seine Augen vor hässlichem Ergötzen. Brynjarr erwachte aus seiner Starre, stellte sich vor seinem Bruder und schwang seine Axt. Seine Stimme war laut und voller Hass, als er zu sprechen begann.
„Du wirst meinen Bruder nicht anrühren, Scheusal!“, brüllte Brynjarr.
Da lachte der Boldyr. Es war ein krächzendes, dunkles Lachen. Brynjarrs Blut gefror, als der Boldyr ihn amüsiert ansah und langsam um die Brüder pirschte. „Große Worte für einen jungen Welpen.“, sagte der Boldyr. Brynjarr verlor kurz die Fassung, als er dies hörte. Der Boldyr indes bemerkte es und kicherte ekelhaft. „Was ist denn los, Welpe? Noch nie ein stolzes Tier wie mich sprechen hören? Du kannst dich glücklich schätzen. Du bist der zweite, nackte Affe, der dieses Privileg erhält. Und dein wimmernder Freund da drüben auch.“
Wie aus einem Albtraum erwacht, wollte Brynjarr sofort zu Hrolf eilen. Doch wollte er den Boldyr nicht aus den Augen lassen. Derweil kramte Hrolf verzweifelt nach seiner Gürteltasche.
„Höre, Scheusal!“, begann Brynjarr und richtete seine zweihändige Axt auf den Boldyr. „Ich bin Brynjarr! Sohn des Björnriks! Ich und mein Bruder sind gekommen, um dich zu töten!“
Für einen Moment starrte der Boldyr Brynjarr fragend an. Er versuchte sich zu erinnern. Doch es dauerte nicht lange, da zierte ein grässliches Grinsen die hässliche Fratze des Untieres. Die Augen glühten vor Vergnügen.
„Soso“ säuselte der Boldyr finster. „Dann sind die Welpen gekommen, um das erbärmliche Schweinchen zu rächen?
Brynjarrs Hände begannen vor Wut zu zittern. Sie krallten sich an den Stiel der Axt. Der Zorn brannte aus den Augen des Kriegers. Dies stachelte den Boldyr nur mehr an.
„Ich habe mich schon gewundert, warum ich den Geruch von lebendigem Menschenfleisch in meiner Grotte vernahm. Jetzt sehe ich zwei Welpen, die all den Weg unternommen haben, nur um als mein Spielzeug zu enden. Wobei…“