Urdrak konnte seine leichte Bewunderung für den Nordling nicht verbergen. Sein Blick fiel auf Hrolf, der ihn gar nicht zu betrachten schien. Viel mehr horchte der Schütze in die Nacht hinein. Buldruk indes nickte Brynjarr hoffnungsvoll zu.
„Möge Adanos eure Hände leiten, Söhne des Nordens“, sagte Buldruk. Kurzzeitig schienen die Brüder überrascht zu sein, dass der Schamane ihnen Adanos‘ Gunst wünschte. Jedoch setzten sie ihre stoischen Miene wieder auf, nickten und schritten los.
Die Orks sahen eine Weile den Brüder nach, bis sie kurzzeitig in der Dunkelheit verschwanden. „Glaubst du wirklich, dass zwei Morras ausreichen, um den Boldyr zu erlegen?“, fragte Urdrak erstaunt.
Buldruk starrte indes weiterhin in Richtung der Brüder. Dann wandte er sich zu Urdrak. Die Augen des Graupelzes schimmerten vor Hoffnung und Sorge. „Ich bete dafür, dass es ihnen gelingt“, erwiderte Buldruk schließlich.
Die Brüder schritten eine Weile durch das steinige Terrain, dass zwischen dem Hügelkamm und dem Schattenhorn befand. Jedes Mal, wenn der Mond hinter den Wolkenfetzen verschwand, kam Brynjarr ins Straucheln. Hrolf, der sicher durch das Terrain schritt, half seinem Bruder dabei, sicherer zu gehen. Doch während er dies tat, tadelte er Brynjarr.
„Das war dumm von dir, Bryn“, sagte Hrolf leise. „Die Grünfelle hätten uns kalt gemacht.“
Brynjarr lachte leise. „Aber wir sind am Leben. Das sollte dir beweisen, dass wir alle auf derselben Seite kämpfen.“
„Im Moment vielleicht. Aber sobald wir den Boldyr getötet haben, werden sie uns ermorden. Bestimmt holen sie jetzt Verstärkung aus ihrem Dorf.“
„Wie denn? Diese Orkjungen werden nirgendwo hingehen. Und weder der Alte noch der Kraftprotz werden die Jungen einfach so alleine lassen.“
„Tsss! Bist du nun sowas wie ein „Orkologe“ geworden, oder was?“
„So ist es. Hab sogar ein Schreiben vom Nördlichen Kloster, das mich als solchen auszeichnet“, erwiderte Brynjarr witzelnd.
Hrolf musste tatsächlich amüsiert grunzen, bevor er sich wieder auf den Weg vor ihnen fokussierte. „Dann wollen wir hoffen, Herr Orkologe, dass deine Güte auch wirklich belohnt, wird“, sagte Hrolf schnippisch.
Endlich erreichten die Hänge des Schattenhorns. Aus den Hängen des Berges ragten spitze Felsen hervor, wie Stacheln von gewaltigen Blutfliegen. So als ob der Schattenhorn jeden Eindringling abschrecken wollte. Vorsichtig pirschten die Brüder zwischen den Felsen und lauschten angespannt in die Dunkelheit hinein. Nach einer Weile fanden sie zwischen hohen Steinen ein großes Loch, dass ins Innere des Schattenhorns führte.
Hrolf schlich als erster an den Höhleneingang heran, seinen Orkreisser angespannt. Als die Luft rein zu sein schien, machte er Brynjarr ein Zeichen und der Krieger schritt langsam zu seinem Bruder herüber. Dann betraten beide die Höhle. Hrolf ging mit gespannten Bogen heraus, während Brynjarr rückwärtsging und den Ausgang im Auge behielt.
Der Gang war kalt und gelegentlich hörte man das Plätschern von Wassertropfen, die von den Zähnen artigen Stalaktiten herabfielen. Doch nach einer Weile stach ein modriger und grässlicher Gestank die Brüder. Mit großer Mühe unterdrückten sie ein Husten und Würgen und deckten sich ihre Nasen mit Felltüchern zu. Als sie nun endlich das Ende des Ganges erreichten, breitete sich vor ihnen ein hässliches Bild.
Gebeine von Tieren und Orks lagen am Boden herum, die wie ein fahles Blumenbeet des Todes wirkten. Vereinzelnd jedoch lagen die Leichen von Orklingen, die langsam am Verwesen waren. Vorsichtig näherten sich die Brüder diesen Leichen, bemüht dem Gestank zu trotzen. Brynjarr betrachtete die toten Orklinge. Und sein Herz füllte sich mit Mitleid als mit Wut, als er auf die zerrissenen Kadaver starrte.
„Dieses Monster hat sie ja gar nicht mal gefressen“, sagte Brynjarr angewidert. „Wieso lässt er sie hier einfach liegen?“
„Weil sie nicht zum Fressen gedacht sind“, bemerkte Hrolf finster.
Brynjarr starrte seinen Bruder entsetzt an. „Was sagst du?!“
„Diese Orklinge starben durch immensen Blutverlust. Der Boldyr hat nur mit ihnen „gespielt“.