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Damianut
Publizistik Gothic Series

Der Boldyr – eine myrtanischen Kurzgeschichte von Silas Serdar. Auf der Jagd nach einer verhassten Bestie, wagen sich zwei junge Männer in die gefährliche Heimat ihrer Todfeinde. Wir präsentieren euch eine neue Geschichte aus der Welt von Gothic.

Der Boldyr

Kalt und erbarmungslos fegte der eisige Sturmwind durch den finsteren Wald. Weder der Mond noch die Sterne konnten die Wolken durchbrechen. Und doch trotzte der alte, graugepelzte Schamane dem Wetter. Er schritt durch den hohen Schnee wie ein Pflug und ebnete damit seinen jüngeren Stammesgenossen den Weg. 

Die vier Orklinge liefen zögerlich derweil im Gänsemarsch hinter dem Schamanen und achteten darauf, auf die Fußspuren ihres Ältesten zu treten. Hinter dem letzten Orkling stampfte ein gewaltiger Muskelberg von einem Ork. Seine schwere Rüstung schien ihm nicht zu belasten. Auch nicht der massive Krush Karrok, den er in seiner rechten Pranke festhielt. Noch immer war der entsetzlicher Kriegshammer blutverschmiert vom Kampf mit den Eiswölfen, die die Gruppe vor einer Stunde überfallen hatten. Dabei starb der Warg des Schamanen, wodurch der Hüne noch angestrengter Wache hielt. 

Der Hüne wandte seinen Kopf nach links und nach rechts und starrte in die Finsternis des Waldes hinein. Da stolperte er über etwas. Sofort richtete sich der Hüne auf und wollte seinen Krush Karrok gerade schwingen. Doch dann sah er den letzten Orkling vor sich hinknien. Zitternd saß der Orkling da und der Hüne hörte ein leises Schluchzen und Wimmern. 

Der Hüne hätte ein solches Verhalten sofort ausgetrieben. Er hätte den Orkling hochgerissen und ihn angebrüllt, er solle sich zusammenreißen. Doch in diesem Moment konnte es der Krieger den Jungen nicht verübeln. Wie den auch? Er zwang sanft, aber bestimmt den Orkling auf die Beine und schubste ihn widerwillig voran. 

Der Schamane und die übrigen Orklinge waren stehen geblieben und warteten auf die Nachzügler. Als der alte Graupelz den wimmernden Orkling sah, seufzte er schwer. 

„Wir werden bei der Mulde eine letzte Rast einlegen“, sagte er müde. Mehr brachte er nichts heraus. 

Zusammengekauert saßen die Orklinge um ein großes Lagerfeuer und schwiegen. Das Feuer erhellte die Mulde im warmen Licht. Doch Trost konnte sie keinem der Orklinge geben.

Auf dem Rand der Mulde saß der Schamane bedrückt und schaute sich wehleidig seine Jungen an. Dann fiel sein Blick auf den Hünen, der von seiner Patrouille zurückkam. Stumm schüttelte der Hüne und der Schamane nickte nur tonlos. Danach bot der alte Graupelz seinem großgewachsenen Freund, neben ihn zu setzen. Gemeinsam schauten sie auf die Orklinge herunter. 

„Das ist krank. Einfach nur krank.“, knurrte der Hüne bitter.

Ich weiß, Urdrak.“, erwiderte der Schamane seufzend. „Doch dies ist der Preis, den wir zahlen müssen.“

„Müssen? Wir sollten das verdammte Untier erschlagen, Buldruk. Bei lebendigen Leibe häuten! Das müssen wir!“, fauchte Urdrak leise. Da sah ihn der Schamane direkt in die Augen. „Das wäre eine Möglichkeit. Doch diese würde unserem Stamm nur den Tod einbringen. Das müsstest du wissen, Urdrak.“

Der Hüne wandte sich von Buldruk ab und starrte mit trauriger Gram auf den Boden. So gern er den Schamanen widersprochen hätte. Urdrak wusste, dass dieser recht hatte. Beide schwiegen und versanken in düstere Gedanken. Bis auf einmal einer der Orklinge aufgeschreckt aufstand und seinen Kopf hastig hin und her schwenkte.